Das Engagement der Initiative – Erhalt und Schaffung von Freiräumen für Jugendliche entspricht dem Auftrag der SozDia, den wir bereits seit mehreren Jahrzehnten verfolgen! Deshalb hat die SozDia auch dieser Jugendgruppe die Unterstützung ihres Engagements angeboten. So folgte der Vorstandsvorsitzende Michael Heinisch-Kirch sogar persönlich der öffentlichen Einladung der Jugendgruppe gleich bei ihrer ersten öffentlichen Veranstaltung vor dem Lichtenberger Rathaus am 11. Oktober, ging mit allen anwesenden Akteur*innen ins Gespräch und bot an:
- Das die SozDia die Jugendlichen bei ihrer Suche nach alternativen Räumen zu unterstützen
- Das die SozDia die Jugendlichen weiterhin gern besucht, um mit ihnen im Dialog zu bleiben
Zu den Hintergründen der anstehenden Schließung möchten wir klarstellen: Die SozDia hat entgegen anderslautender öffentlicher Äußerungen keine Gewinnbestrebungen (dies wäre ohnehin angesichts der zu geringen Finanzierung der Jugendarbeit in Berlin auch ein eher aussichtsloses Unterfangen). Der Betrieb von Jugendklubs der SozDia verbietet gemäß der Gemeinnützigkeit der SozDia die Verwendung von Überschüssen zu anderen als zu Zwecken der SozDia-Satzung. Im Gegenteil, seit Jahren muss die Finanzierung der SozDia-Jugendklubs durch stiftungseigene Gelder subventioniert werden. Denn die vom Senat verbindlichen Standards in Bezug zum Beispiel im Bereich des einzusetzenden Personals in Jugendfreizeiteinrichtungen können durch die öffentliche Finanzierung alleine nicht eingehalten werden.
Umso mehr begrüßt die SozDia, dass die jetzige Initiative durch ihr Engagement unsere Pressemitteilung vom 30. März 2023, bei der wir die prekäre Situation der Jugendarbeit öffentlich gemacht hatten, erneut in die öffentliche Wahrnehmung rückt. An deren Aktualität hat sich seit März 2023 nichts Erhebliches verändert – wie z. B. angesichts der aktuellen Beschluss-Vorlage im Jugendhilfeausschuss (07.11.2023) zur Finanzierung von Leistungsverträgen der Jugendarbeit etc. einfach zu illustrieren ist: Die 2022er Leistungs-Vertragsdaten werden um 1% für das Jahr 2024 fortgeschrieben, die Inflation beträgt jedoch mindestens 6,5 Prozent – allein dies bedeutet eine faktische Kürzung der gesamten Infrastruktur und ihrer Leistung im Bezirk um ca. 5,5 Prozent.
Die im Berliner Haushalt als „Freiwillige Soziale Leistungen“ titulierte Öffentliche Infrastruktur – das sind insbesondere Gemeinwesen-Einrichtungen, Jugendklubs, niedrigschwellige Beratungsangebote pp. sind durch das Land Berlin und seine Bezirke nur defizitär finanziert, so dass die Angebote der insbesondere freien Träger*innen in den Bereichen extrem unter Druck sind. Der Druck wird durch die Flächenkonkurrenzen in unserer wachsenden Stadt seit Jahren und aktuell extrem erhöht – Räume werden knapper, teurer, Raumkündigungen durch Eigentümer*innen sind in Berlin Alltag. Weder die letzten noch die jetzige Landesregierung finden hierauf bürgergerechte adäquate politische Antworten.
Weil die öffentlichen Finanzierungen gemäß der Bedarfslagen von Jugendlichen und anderen Bürger*innen zu gering sind, gleicht die SozDia bereits seit Jahrzehnten die jährlichen finanziellen Defizite aus. Leider stiegen die auszugleichenden Beträge jedes Jahr, und im Jahr 2022 musste die SozDia zur Aufrechterhaltung von Angeboten der Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit, Wohnungsnotfallhilfe, Gemeinwesenarbeit (insgesamt ca. 15 Angebote, davon 9 Jugendklubs, in mehreren Berliner Bezirken) zusätzlich zu öffentlichen Finanzierungen Mittel in Höhe von fast 500.000 Euro aufwenden, um deren Defizite auszugleichen.
Neben den Ausgaben-Steigerungen aufgrund von Inflation, Energiekosten und Zinsen sind durch die SozDia als selbstverständlich tarifgebundene diakonische Trägerin auch die berechtigten Tarif-Steigerungen der Gehälter der Sozialarbeiter*innen und Erzieher*innen zu finanzieren – denn die Inflation erleben die Mitarbeitenden ja auch! Das sogenannte „Besserstellungsverbot“ des Landes Berlin verbietet jedoch die Finanzierung von Gehaltsanteilen, die, wie im Fall des Tarifvertrags des Diakonischen Werks Berlin Brandenburg-schlesische Oberlausitz (dieser wird in der SozDia für ALLE Mitarbeitenden angewendet), über die Bezahlung von vergleichbaren Beschäftigten im öffentlichen Dienst hinausgehen, aus öffentlichen Mitteln.
Die SozDia beschloss, trotzdem die meisten der Angebote und Einrichtungen aufrecht zu erhalten – muss jedoch die eingesetzten Eigenmittel, die auch im Jahr 2023 und 2024 ff. sich auf ca. 150.000 bis 200.000 Euro pro Jahr summieren werden – leider auf weniger Einrichtungen konzentrieren. Die Konsequenz: drei Jugendklubs konnten perspektivisch nicht weiter betrieben werden. Damit niemand „vor die Tür“ gesetzt wird, wurden mit den jeweiligen Jugendgruppen – so diese wollten – Alternativen für ihre Bedarfe erarbeitet und die Gruppen entsprechend begleitet.
Dabei bleibt es natürlich so, dass eine Schließung ein extremer Eingriff bleibt. Jeder geschlossene Jugendklub-Standort dürfte zum größten Bedauern der SozDia dauerhaft als Freiraum, Möglichkeitsort und Stätte des Erlernens demokratischer Teilhabe verloren sein. Das wissen wir und haben uns genau deshalb dazu entschlossen, die meisten Angebote trotz defizitärer öffentlicher Rahmenbedingungen weiter zu betreiben. Insofern ist der Beschluss zur Schließung von drei Jugendklubs keine gute Entscheidung, sondern die am wenigsten schlechte Entscheidung angesichts der defizitären öffentlichen Finanzierung mit der Priorität auf dem Erhalt aller anderen Einrichtungen.
Und warum wird dann die Linse geschlossen, und nicht eine andere Einrichtung?
Die SozDia hatte zu entscheiden, welche drei Einrichtungen zu schließen sind. Hierbei fiel die unattraktive Auswahl auf die Linse an der Parkaue.
Die Linse gab es bis 2002 als Jugendklub in bezirklicher Trägerschaft in Alt-Friedrichsfelde. Das Bezirksamt Lichtenberg beschloss damals deren Schließung und Verkauf des Jugendklub-Standortes an einen Investor. Die jugendlichen Nutzer*innen machten damals dagegen mobil und fanden schließlich die Unterstützung der SozDia, die mit ihnen gemeinsam den neuen Standort an der Parkaue fand, anmietete, ausbaute und eröffnete. Seit 20 Jahren, seit 2003, betreibt die SozDia nun die Linse am Standort Parkaue. Neben den zuvor angeführten finanziellen Ursachen erschweren drei Bedingungen den Erhalt der Linse am Standort extrem:
- Nutzungspause von mindestens drei Jahren wegen Bauarbeiten Areal Theater an der Parkaue
Das gesamte Areal der Parkaue wird durch das Land Berlin saniert und durch Neubauten ergänzt. Der Kultur-Standort des Landes Berlin wird ausgebaut. Das begrüßen wir sehr.
Die Jugendfreizeiteinrichtung Linse ist nicht Teil des Sanierungs-Vorhabens. Wegen der Errichtung der Neubauten auf dem Grundstück und des Austausches aller Grundleitungen kann die Linse aus bautechnischen Gründen ab in wenigen Wochen nicht mehr sicher genutzt werden (keine Medien, keine baulichen Rettungswege). Die Bauzeit wird gemäß derzeitiger Planung (mindestens) drei Jahre umfassen.
- Fehlende Zuwegung
Die Bemühungen der SozDia, mit den Grundstückseigentümern der Nachbarschaft (SenKult, Deutsche Bahn) zu einer perspektivisch sinnvollen Zuwegung zur Linse zu kommen, waren seit Eröffnung im Jahr 2003 intensiv, jedoch letztlich nicht erfolgreich. Deshalb wurden die Bemühungen schließlich bereits vor mehreren Jahren eingestellt. Zurzeit hat die Linse eine einerseits ungeeignete, zu schmale, nicht genehmigte, nicht behindertengerechte, andererseits von Bezirk Lichtenberg, Senat und Bahn seit 20 Jahren geduldete Fußgänger-Zuwegung durch ein Stahl-Tor. Durch die Errichtung des Neubaus am Theater an der Parkaue durch das Land Berlin an der Deutschmeisterstraße fällt diese Zuwegung – buchstäblich – in die Baugrube. Eine Perspektive für eine Zuwegung gibt es nicht.
Die Bemühungen der SozDia, in den Steuerungsrunden der Baumaßnahme so Einfluss zu nehmen, dass die Linse künftig einen geeigneten Zugang hat, waren nicht erfolgreich – SenKult benötigt die hierfür notwendigen Flächen für andere Planungen.
- Hohe gesetzlich notwendige Sanierungskosten nach Nutzungspause
Die Linse war bereits im Jahr 2003 grundsanierungsbedürftig – das Gebäude wurde ja wegen seines hohen Instandhaltungsrückstaus zu dem Zeitpunkt nicht mehr vom Theater an der Parkaue genutzt und war – so würde man heute sagen – lost spaces. Deshalb stand es leer. Die SozDia hatte die für den Erhalt der Genehmigungen erforderlichen Reparaturen am Gebäude auf eigene Verantwortungsübernahme hin durchgeführt, Bezirk und SozDia teilten sich letztlich die erforderlichen Kosten von ca. 600T€ damals etwa hälftig.
Der Betrieb wird wegen der benachbarten Bauarbeiten auf dem Grundstück sowieso eingestellt werden müssen. Insofern steht das Gebäude erst in frühestens drei Jahren wieder zur Verfügung. Die erforderlichen Genehmigungen müssten dann neu eingeholt werden. Das Gebäude entspricht jedoch nicht mehr den aktuellen bauordnungsrechtlichen Anforderungen – schon allein aus energetischen Gründen (Wärmedämmung, Solardachpflicht pp). Die eigentlich schon im Jahr 2003 erforderliche und damals nicht durchgeführte umfassende Gebäude-Sanierung wäre erforderlich, um den Jugendklub wieder zu eröffnen. Zurzeit gibt es jedoch seitens des Eigentümers, SenKult, keine Planung, das Gebäude zu sanieren. Die SozDia sieht hier zurzeit keinen Investor.
Diese Gründe führten dazu, dass bei der Auswahl der drei Schließungsstandorte leider auch die Linse durch die SozDia ausgewählt wurde.
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